Rund 230 Bürger sind Mittwoch zu einem Infoabend mit Vertretern von Kreis, Stadt und Kirche zusammengekommen, um sich über Hilfe für Flüchtlinge auszutauschen. Quintessenz: Jeder soll sich ehrenamtlich einbringen können.

HÖRSTEL. Die St.-Reinhildis-Gemeide hatte in Abstimmung mit der evangelischen Gemeinde eingeladen, und am Ende ließ sich sagen: Das war dringend notwendig. Der Informationsbedarf, wie den Flüchtlingen in der Stadt zu helfen ist, ist mindestens ebenso so groß wie die Hilfsbereitschaft ganz vieler Hörsteler. Dies ging aus (fast) allen Wortbeiträgen deutlich hervor.

Geladen waren Mittwochabend Vertreter des öffentlichen Lebens aus Politik, Kirche und Vereinen. Rund 230 Männer und Frauen saßen mit Vertretern von Kreis, Stadt und Kirche zusammen, um gemeinsam zu überlegen: Was ist zu tun? Was können wir tun? Wie packen wir es an? Kreisdirektor Dr. Martin Sommer kommt in diesen Tagen viel in dieser drängenden Angelegenheit im Kreis herum und freute sich über die Resonanz in Hörstel: „Ich bin ganz begeistert, wie viele Menschen heute Abend hier sind.“

In wenigen Sätzen riefen Sommer, Diakon Peter Siefen und Bürgermeister Heinz Hüppe in Erinnerung, in welcher Not sich die Menschen befinden, insbesondere wenn sie eine lange beschwerliche Reise aus den syrischen Kriegsgebieten hinter sich haben. In Hörstel leben derzeit 140 Flüchtlinge in gemieteten Wohnungen oder in den zwei städtischen Unterkünften in Hörstel und Riesenbeck. Als künftig dritten städtischen Standort nannte Hüppe das Gelände der alten Kläranlage in Bevergern. Zu diesen Flüchtlingen, die der Stadt fest zugewiesen sind, kommen die Menschen, die in der Notunterkunft in Ostenwalde vorübergehend aufgenommen sind. Zudem gilt es als recht sicher, dass auf dem ehemaligen Flugplatz in Dreierwalde eine Notunterkunft für bis zu 1000 Menschen geschaffen wird. Eine Zuhörerin äußerte die Befürchtung, Dreierwalde müsse für die Integration von 1000 Menschen in kürzester Zeit sorgen. Mit dieser Sorge räumte Sommer deutlich auf. Die Unterkunft auf dem Flugplatz diene allein dazu, ankommende Flüchtlinge innerhalb weniger Wochen oder gar Tage zu registrieren und medizinisch zu untersuchen oder zu impfen. Von dort erfolge die Verteilung auf andere Kommunen. Erst in diesem Stadium, wenn die Flüchtlinge einer Kommune fest zugeordnet sind, stehe die Integration an. Die Notunterkünfte seien erforderlich, weil die Aufnahmestellen bei täglich 1000 Neuankömmlingen allein in NRW sonst nicht nachkommen.

Auf den geäußerten Vorwurf, die Kommune werde überfordert, antwortete eine andere Zuhörerin: „Für diese Polemik sind wir heute Abend nicht gekommen. Die meisten sind gekommen, um zu helfen und nicht, um lange zu reden.“ Für diesen Beitrag erhielt sie von fast allen Zuhörern lauten Beifall.

Deutlich wurde an diesem Abend: Es steht viel Arbeit und Solidarität an, es gibt aber auch ganz viele, die helfen wollen und die noch weitere Hilfswillige gewinnen können. „Wir brauchen Manpower, Leute, die beim Umzug helfen, die Flüchtlinge zum Arzt oder zu den Behörden fahren. Wir brauchen einen Pool von Ehrenamtlichen, die wir ansprechen können“, sagte Angelika Wollny, die zu den Ehrenamtlichen gehört, die schon manche Erfahrung gesammelt haben.

Diakon Peter Siefen verteilte Kontaktformulare für alle, die die Flüchtlingshilfe Hörstel ehrenamtlich unterstützen wollen. Jeder kann hier mitmachen und seinen Beitrag leisten. Die Formulare sind auch in den Pfarrbüros und im Sozialamt erhältlich. Wie die Koordination der Einzeltätigkeiten erfolgen kann, soll in nächster Zeit erarbeitet werden.

Kommentar
Das Interesse und Wohlwollen, das mehr als 200 Hörsteler der Flüchtlingshilfe entgegen bringen, ist – ja was eigentlich? Überwältigend? Großartig? Überraschend? Auf jeden Fall: einzigartig. Noch nie haben sich Bürger dieser Stadt in so großer Zahl über die Ortsteile, Parteien, Vereine und Altersgruppen hinweg so entschlossen gezeigt, sich für Menschen einzusetzen, die ihnen fremd sind. Noch fremd sind. Die Männer, Frauen und Kinder, die erschöpft Deutschland, auch Hörstel, erreichen, sie werden ein Teil unseres Leben sein, in der Freizeit, im Beruf, in der Schule. Die da helfen wollen, haben das verstanden oder sie fühlen es mit dem Herzen. Hier steht eine Aufgabe bevor, die sich nicht durch verzagtes, gar böses Gerede lösen lässt. Hier ist Anpacken gefragt. So mancher will Freizeit und Wissen einbringen. Aufgaben, große und kleine, gibt es ja genug. Und man kann nur hoffen, dass unseren Verwaltungen eine professionelle Koordinierung der Einzelaktionen ganz schnell gelingt. Aber auch wer gerade keine Zeit erübrigt, kann beitragen. Durch ein Lächeln in der persönlichen Begegnung, durch Respekt und ein klares Bekenntnis zur Mitmenschlichkeit. Diese Einstellung kann uns alle voranbringen. Sie macht uns Mut, weil wir wissen: Das schaffen wir.
Stephan Beermann

IVZ Aktuell 03.09.2015
Autor: Stephan Beermann